Die gesamte Schädlingsbekämpfungsbranche hat im Zusammenhang mit der Einführung der RMM erfahren müssen, wie schnell aus Positionspapieren des UBA schwer verrückbare nationale Regularien wurden, die nur mühsam wieder in eine ökonomisch vertretbare, alle Schutzziele des Menschen – also auch des Gesundheitsschutzes durch Schädlingsbekämpfung – berücksichtigende Regelung überführt werden konnten.

Das vorliegende Positionspapier geht von Anfang an einen vergleichbaren Weg zu dem bisherigen Vorgehen des UBA: Es stellt Maximalforderungen auf, begründet sie europäisch, strebt aber nationale Auslegungen, Verordnungen etc. an, möchte nationale Beratungs- und Prüfinstitutionen schaffen und stellt die bestehenden Berufs- und Sachkundeordnungen durch weitergehende Qualifikationsanforderungen u.U. in Frage.

Der TRNS wird versuchen, diesen Vorschlag in mehreren Kommentaren zu beleuchten und zu bewerten.

Zum Vorwort des Vorschlags unser Vorwort:

Wie immer steht am Anfang der Vorwurf an die Biozide, sie seien wahrscheinlich negativ für Umwelt und Gesundheit und daran ändere eine Zulassung de facto nichts. Braucht man dieses Credo als Legitimation des eigenen Handelns? Es wird leider nicht hervorgehoben, dass gerade die Zulassung die Möglichkeit schafft – und diese ist schon ziemlich engmaschig gestrickt – die Schutzgüter des Menschen (Gesundheit/ Sicherheit/ Ressourcen/ Produkte/ Umwelt) angemessen auszutarieren.

Viele Fachleute sehen die Gesundheit und Sicherheit der Europäer durch Schadnager und Parasiten (siehe dazu1) stärker gefährdet als durch die Biozide, welche zur Bekämpfung derselben eingesetzt werden.

Nach Jahrzehnten der Rechtsunsicherheit in Deutschland aufgrund fehlender Zulassungen wird jetzt wieder der gesundheitliche und umwelttechnische Nutzen der Zulassung in Frage gestellt. Es muss unsererseits erlaubt sein zu fragen: Soll die gerade entstehende und entstandene Rechtssicherheit durch nationale Überregulierungen wieder unterhöhlt werden? Und was ist eigentlich mit der Güterabwägung? Ist es wie bei vielen einschlägigen NGOs, erst der Kampf gegen DDT (in unseren Augen berechtigt), dann gegen dessen Ersatzstoffe wie Organophosphate, dann gegen deren Ersatzstoffe wie Pyrethroide (in unseren Augen weitgehend unberechtigt), demnächst gegen Pyrethrum und dann gegen Zitronensäure als Abwehrstoff? Eine „Unendliche Geschichte“ eines ursprünglich berechtigten Kampfes, der die Güterabwägung längst aus den Augen verloren hat?

Nachhaltigkeit muss auch verbunden sein mit Nachdenklichkeit, und es macht sehr nachdenklich, wenn in Deutschland einerseits per Jagd 542.000 Füchse im Jahre 2012/2013 erlaubterweise in freier Wildbahn – mehr Umwelt geht kaum – erlegt werden (http://www.jagdverband.de/node/719) und andererseits einige Stadtfüchse und urbane Prädatoren geschützt werden sollen, indem Rodentizideinsatz sogar in Innenräumen stark reglementiert wird, obwohl sie da nicht auftreten. Füchse, die z.B. in Südwestdeutschland zudem bis zu 72 % vom Fuchsbandwurm – eine lebensgefährliche Erkrankung des Menschen – befallen sind (https://de.wikipedia.org/wiki/Fuchsbandwurm).

Füchse, die nach einer dankenswert vorgelegten Arbeit2 zwar ca. 59 % Rückstände von Antikoagolanzien aufweisen, wobei aber nur bei 20% überhaupt Effekte, was nicht Erkrankung bedeuten muss, für den Fuchs vermutbar sind. Nur bei ganz wenigen Füchsen wurden wirklich gefährdende Dosierungen gefunden. Die untersuchten Lebern stammten laut Aussage einer der Verfasserinnen von eingeschickten Fuchslebern getöteter (z. B. Jagd) oder gefundener Füchse (z. B. Verkehrsopfer); eine Vergiftung durch Antikoagulanzien kann damit nicht korreliert oder bewiesen werden.

Zugespitzt gefragt: Um einige wenige Füchse möglichst nicht zu gefährden, Füchse, die nicht wie 542.000 ihrer Artgenossen erschossen werden, obwohl sie realistischerweise gar nicht gefährdet sind, soll in all den

Städten und Dörfern eines 80-Millionenvolkes, in all den Kneipen, Einrichtungen und Lebensmittelbetrieben

selbst in Innenräumen nach UBA-Ansicht auf den dauerhaften Einsatz von Antikoagulanzien möglichst verzichtet werden? Drohen ähnlich rigide Vorschriften auch für andere Biozide?

Noch mal: Nachhaltigkeit muss auch verbunden sein mit Nachdenklichkeit. Nachhaltig ist es mitnichten, einen für die Gesundheit vermeintlichen Teufel (z. B. sichere Biozide) gegen einen tatsächlichen Beelzebub (z. B. Parasiten) auszutauschen.

 Der letzte Satz des Vorwortes ist in unseren Augen der bezeichnendste Satz: „Aufgrund der Zuständigkeit des Umweltbundesamtes liegt der Fokus der Vorschläge auf Maßnahmen zum Schutz der Umwelt“

…was nichts anderes sagt, als die Betrachtung eines Teilaspektes. Das große gemeinsame „Nachhaltige“ für uns Menschen ist die richtige Kombination aus Gesundheit, Arbeitssicherheit, Lebensmittelsicherheit, Futtermittelsicherheit, Umwelt und Wohlbefinden. Dieser Fokus ist und soll derjenige der Zulassungsbehörde sein (in Deutschland die BAuA), die eine akzeptable Balance zwischen diesen Nachhaltigkeitskomponenten schaffen muss.

Der TRNS möchte – wie wahrscheinlich alle der Nachhaltigkeit verpflichteten Schädlingsbekämpfer – dazu beitragen, diese Kombination aus Schutzgütern realistisch umzusetzen bzw. zu begleiten. Auch uns liegt die Umwelt sehr am Herzen, aber ebenso die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen!

 

TRNS: Jürgen Althoff, Leonhard Engel, Jona Freise, Michael Hermes, Alexander Kassel, Harry Teuber

 

1 Bonnefoy, X. et al. (eds.): Public Health Significance of Urban Pests. World Helath Organization 2008

2 Geduhn, A.; Jacob, J.; Schenke, D.; Keller, B.; Kleinschmidt, S.; Esther, A. (2015): Relation between Intensity of Biocide Practice and Residues of Anticoagulant Rodenticides in Red Foxes (Vulpes vulpes).PLOS ONE 10(9): e0139191.

 http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/biozide.pdf

DpS_2015-12_Seite-14_TRNS-Kommentar-UBA