UBA-Studie – „Erforschung der Ursachen für die nachgewiesene Gewässerbelastung mit Rodentiziden (PBT-Stoffe)…“

Eine Betrachtung des TRNS unter dem Gesichtspunkt, ist die Studie wirklich relevant? (Teil 1)

Alle Fachleute wissen, dass Antikoagulanzien (AKs) Riesenvorteile haben. Die wichtigsten sind

– kaum nachgewiesene Primärvergiftungen von Mensch, Haustier, Nutztier (sachgerechte   Anwendung durch Profis vorausgesetzt)

– Nichtwirbeltiere sind nicht betroffen

– kleine Dosen erzeugen keine letalen Vergiftungen.

Durch AKs wurden all die wirklich gefährlichen „Rattengifte“ eliminiert. Jetzt soll dieser hervorragenden Wirkstoffgruppe die Einsatzberechtigung entzogen werden. Dazu finanziert das UBA Studie nach Studie, um Belege für deren Verbannung zu sammeln.

Auf der Suche nach Relevanz der jüngsten Studie liest man am besten erstmal den Abspann am Ende, dort steht:

Zitat aus der Studie:

„Eine weitergehende Untersuchung im Hinblick auf mögliche letale oder subletale Effekte der gemessenen Konzentrationen war im Rahmen des Monitorings nicht möglich. Eine abschließende Bewertung der Auswirkungen von antikoagulanten Rodentizid Rückständen in der Fischleber auf die Fischgesundheit ist nur im Rahmen von Expositionsversuchen mit begleitender Analytik unter kontrollierten Bedingungen im Labor möglich.“

De facto heißt das, man stellt in Fischlebern in einem geringen Nanogrammbereich (1 ng = 1 Milliardstel Gramm) etwas fest, untersucht aber nicht, ob das negative Auswirkung bei den Fischen hat.

Dass man überhaupt mit einer Stelle vor dem Komma Messwerte angeben und damit argumentieren kann ist der Idee geschuldet, eben eine möglichst kleine Dimension zu wählen und sich nicht wie sonst in der Toxikologie üblich auf das Körpergewicht zu beziehen, sondern auf das Lebergewicht. Damit ergibt sich nochmal der Divisor 50, wenn man annimmt, dass die Leber etwa 2 % des Körpergewichtes ausmacht und hinzufügt, dass man in den Fleischproben der Fische fast nichts gefunden hat. Würde man die übliche Bezugsgröße wählen, lägen die gefundenen Werte unter einem Nanogramm pro Gramm Fisch.

Wie virtuos – oder auch manipulativ – mit Messwerten umgegangen wird, zeigt sich auch an anderer Stelle:

Zitat aus der Studie:

„In aquatischen Nichtzieltieren wie Fischen ist bisher der Zusammenhang zwischen umweltrelevanten Rückstandsgehalten von Antikoagulanzien in der Leber und möglicher Auswirkungen auf die Fischgesundheit nicht erforscht. Bei terrestrischen Nichtzieltieren wie Raubvögeln wurden letale (tödliche) Auswirkungen auf den Organismus bei Rückständen von antikoagulanten Rodentiziden der zweiten Generation in der Leber bereits ab Konzentrationen von >100 bis 200 ng/g bezogen auf das Nassgewicht beobachtet (Fourel et al. 2017). Im Forschungsprojekt betrug die höchste in Fischleberproben gemessene Gesamtkonzentration von Rodentizid-Rückständen in Fischen –der zweiten Generation 35 ng/g bezogen auf das Nassgewicht. Da in dieser Studie keine Totfunde untersucht wurden (d. h. alle Fische wurden lebend gefangen), ist davon auszugehen, dass die in den Fischlebern gemessenen Konzentrationen keine tödlichen Auswirkungen auf die untersuchten Fische hatten.“

Es lohnt sich ja immer wieder bei Quellenangaben – hier Fourel et al. 2017 – das Abstrakt der Originalarbeit anzuschauen. Es trägt die Überschrift (Übersetzung):

Cis-Bromadiolon-Diastereoisomer ist nicht an einer Vergiftung mit Bromadiolon-Rotmilan ( Milvus milvus) beteiligt

Ein Auszug der Zusammenfassung, automatische Übersetzung:

„In dieser Studie wurde eine LC-MS / MS-Methode mit mehreren Resten zur Quantifizierung der Diastereoisomeren von SGARs verwendet, um ihre Anteile in Feldproben von Raubtieren zu untersuchen. Im Jahr 2011 wurden 28 Rotmilane (Milvus milvus) innerhalb weniger Monate nach der Anwendung von Bromadiolon im Grünland tot aufgefunden, um den Ausbruch von Wassermaus zu kontrollieren. In dieser Studie berichten wir über die Konzentrationen der beiden Bromadiolon-Diastereomeren, die in den Lebern von dreizehn Rotmilanen gemessen wurden. Die Exposition gegenüber Bromadiolon war bei allen Rotmilanen mit Leberkonzentrationen von Transbromadiolon im Bereich von 390 bis 870 ng / g (89 bis 99% der summierten SGARs) erkennbar. Cis-Bromadiolon wurde jedoch in 5 von 13 Rotmilanen nicht nachgewiesen und war in sehr geringen Konzentrationen (unter 2,2) vorhanden ng/g) in 8 von 13 Milanen, was zeigt, dass cis-Bromadiolon nicht an diesem Milanvergiftungsereignis beteiligt ist. Die Ergebnisse legen nahe, dass eine Änderung der Anteile von Bromadiolondiastereoisomeren in Ködern das Risiko einer Sekundärvergiftung von Raubtieren verringern könnte, jedoch die Primärtoxizität für Kontrollausbrüche von Nagetieren beibehält.“

Da oben steht 390 bis 870 ng/g! Also nicht >100 bis 200 ng/g wie in der UBA-Studie zitiert. Das Zitat stimmt demzufolge nicht, es wurde viermal gefährlicher dargestellt.

Die Fourel-Studie markiert folgende (Zitat, Übersetzung) Höhepunkte:

  • Kommerzielles Bromadiolon ist eine Mischung aus 70% trans-Isomer und 30% cis-Isomer.
  • Cis-Bromadiolon wird nach einer Bromadiolonvergiftung nicht in der Leber von Rotmilanen gefunden.
  • Cis-Bromadiolon scheint in der Nahrungskette nicht persistent zu sein.
  • Nagetiere und / oder Rotmilane metabolisieren die beiden Diastereomeren von Bromadiolon unterschiedlich.
  • Die Überwachung von Rodentiziden sollte Diastereoisomere bei Nichtzielspezies unterscheiden.

Diese Arbeit löst jede Menge Überlegungen aus, vorerst hier nur fünf:

  1. Die Basis der Untersuchung ist ein Unfall im Pflanzenschutz, nämlich eine massenweise Ausbringung eines Rodentizides auf Feldern, kein Gesundheitsschutz wie in der Kanalisation mit festgelegten Ausbringregeln.

    Wer also mit Unfällen argumentiert – wie das UBA – muss sich auch die Frage gefallen lassen, ob wir das Busfahren verbieten sollten, wenn es irgendwo ein Busunglück mit 20 Toten gab.
  2. Wenn das automatisch zu 30% bei der Herstellung anfallende Spiegelbild (=Cis-Isomer) des Bromadiolons  nicht/kaum in der Leber der toten Rotmilane gefunden wurde, kann es ja aus Sicht des UBAs nicht zur Vergiftung führen, denn mit diesem Argument haben sie das wirkungsähnliche Phenprocoumon, dass tonnenweise von den Macumarpatienten durch die Kanalisation läuft, aus ihrer Bedrohungsgleichung herausgenommen.
  3. Wenn Cis-Bromadiolon gegen Nagetiere wirken würde, nicht aber gegen Rotmilane und Fischreiher und man es bei der Produktion separieren und alleinigst verwenden würde, würde das dann nicht die elegante Lösung des angeblichen Kanalisationsproblems sein?
  4. Wäre es nicht angebrachter, dass das UBA Studien finanziert des „Sowohl als auch“ oder „Sind unsere Befunde toxikologisch relevant“ oder „Populationsdynamiken unserer Beutegreifer“ und, und, und. Einfach nur um der Politik Handhabungen zu geben das „Kind nicht mit dem Bade auszuschütten“.
  5. Wem nützen Nachweise im milliardstel Grammbereich bei einem dosisabhängigen Toxin in der Kanalisation, durch die hunderte andere Stoffe fließen, die viel problematischer sind

Wir haben uns eine weitere Quellenangabe aus der UBA-Studie näher angeschaut, sehr empfehlenswert zu lesen für die Einordnung der „Fischwerte“ ist:

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2018-01-10_texte_04-2018_rodentizide_v2.pdf

Wer diese Studie liest stellt fest, dass sich die gemessenen Werte in ganz anderen Größenordnungen als bei den Fischen bewegen. Mäuse, Ratten, Füchse, Schleiereulen im drei- bis vierstelligen Nanogrammbereich.

Was aber viel interessanter ist, ist der gefundene Zusammenhang von weit höheren Belastungen der untersuchten Tiere gegenüber den Klärteichkarpfen mit der Großvieh-Landwirtschaft. Diesen Zusammenhang sieht man anhand einer Karte auf Seite 35, je violetter der Landkreis je höher der Großviehanteil, je höher damit die Futtervorräte auf den Bauernhöfen, demzufolge das Bekämpfungsausmaß gegen Schadnager (Ratten und Mäusen) und je höher die Fuchsleberwerte.

Legt man diese Karte jetzt auf die Probeentnahmestellen der Kanalisations-UBA-Studie, stellt man fest, auch die ist überwiegend in violetten Landkreisen.

Schlussfolgerung:

Die Herkunft der Belastung von Oberflächengewässerfischen stammt viel wahrscheinlicher aus der umgebenden Landwirtschaft, denn die Karpfen in den Klärteichen haben deutlich geringere Werte als die Karpfen (bzw. Friedfische) draußen und ein Karpfen frisst nun mal keinen anderen Karpfen.

Bisher wurden nur einige Aspekte dieser Studie von uns beleuchtet, aber bereits jetzt wird klar, dass die Studie nicht geeignet ist, einer Relevanzbetrachtung für die Rattenbekämpfung in der Kanalisation Stand zu halten, zumal die meisten der gezeigten Bekämpfungsmethodiken keine sachgerechte Schädlingsbekämpfung darstellen.

  1. Die Studie kann nicht belegen, dass die in Fließgewässerfischen gefundenen AKs ihre Hauptquelle aus den Bekämpfungsaktionen in der Kanalisation haben.
  2. Sie weist nicht nach, dass die gefundenen geringen Mengen überhaupt irgendeine negative Auswirkung auf die Fischgesundheit haben, denn sie misst nur Stoffe und postuliert mögliche Auswirkungen.
  3. Sie ist nicht relevant genug eine Diskussion über die Balance zwischen den Schutzgütern des Menschen (z.B. Umweltschutz versus Gesundheitsschutz) zu führen, wobei man seit einem Jahr in aller Deutlichkeit sieht, wo hier die Prämissen der Politik und eines Großteils der Bevölkerung liegen.
  4. Sie erweitert ein Problem der Landwirtschaft ohne Not mit geringster Relevanz auf den Gesundheitsschutz.
  5. Sie belegt nicht, ob all die Labore, die zu diesen Feststellungen gekommen sind, akkredierte Labore sind bzw. mit akkreditierten Verfahren gearbeitet haben.

Zum vorläufigen Schluss – wir planen einen Teil 2 zu veröffentlichen – noch die Information. dass in Wurstwaren und Fertiggerichten der Difenacoum-Grenzwert 0,01 Milligramm/kg, beträgt umgerechnet also 10.000 Nanogramm/kg.

Eine Frage an den Leser: Wenn jetzt also der Durchschnittskarpfen 2 kg wiegt und dessen Leber 5 Nanogramm/g kumulierter AKs enthält, wieviel Karpfen darf man dann essen?

Ach so, in dem Gedankenzug ist ja der Fehler, dass jeder der Karpfen zubereitet, die Innereien wegwirft und nur das Fleisch isst und Füchse bzw. Fischreiher isst der Mensch ja auch nicht, erst recht keine Rotmilane, von denen er aber bundesweit ca. 1.800 pro Jahr (= ca. 10 % des Bestandes-hochgerechnet aus einzelnen Länderdaten) mit Windkraftanlegen umbringt, kürzlich fast sogar einen Seeadler.

www.rotmilan.org/windenergie/

Also, wenn der Mensch kein Problem mit ein paar Nanogrammen AKs in der Kanalisation hat, die nachfolgenden Fische auch nicht, die Räuberpopulationen aller Ortens gedeihen, selbst Wölfe, das definitive Ende der hiesigen Nahrungsketten, ja dann wäre es doch an der Zeit, 

eine Schutzgüterdiskussion zu führen!

Wir verhehlen nicht, dass es sich bei den AKs überwiegend um PBT/vPBvT-Stoffe handelt, also problematische Stoffe, aber auch diese Kategorisierung darf nicht zum Totschlagargument gegen eine Schutzgüterdiskussion werden, denn weil das „t“ von PBT bei AKs extrem dosisabhängig ist, relativiert dieser Fakt die Gefahr, wenn man deren Einsatzkonzentrationen in Kanalisationen von zum Teil 0,0025 % berücksichtigt. Schwermetalle z.B. Cadmium mit höchsten „PBT-Werten“ werden per Definition einfach nicht als solche bezeichnet, weil sie keine Stoffe sondern Elemente sind. Wer da tiefer einsteigen möchte sei z.B. auf die Milchbelastung durch Cadmium und andere Schwermetalle hingewiesen, Werte von über 1000 ng/l, addiert man Cadmium und Blei (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12743612/). Das „p“ und „b“ von PBT bei AKs ist zudem von der Art des einzelnen Wirkstoffes abhängig und kann nicht pauschal für alle AKs verwendet werden.

Wir können unser gemeinsames Leben in der Umwelt nicht dadurch definieren, dass wir aus den 100.000enden vom Menschen jemals geschaffenen Stoffen – unter denen auch Tausende PBT-Stoffe sind – gerade diejenigen herauspicken und sie im Nanogramm-Bereich systematisch verfolgen und brandmarken, die ansonsten sehr positive Eigenschaften für die Schutzgüter des Menschen haben.

Ein Argument für die Bekämpfung von Ratten in der Kanalisation mit AKs besteht schon mal darin, dass eine solche Quellbekämpfung durch Fachleute den Aufbau vieler oberirdischer Rattenpopulationen unterdrückt, die ansonsten – meistens von Laien – mit weit höheren Aufwandmengen an Bioziden und Fallen „im Garten“ bekämpft werden müssten. Hinzukommt, dass diese Laienmittel zwar mit älteren nicht so leberstabilen AKs ausgestattet sind, diese jedoch in weit höheren Konzentrationen vorliegen, also bei Nichtzieltieren und ständiger Präsenz problematischer sein können. Auf jeden Fall laufen derartig eingesetzte Laienmittel nicht durch die Kanalisation, sondern vor allem ins Regenwasser.

Gefunden hat man diese älteren Wirkstoffe ähnlich wie den Macumarwirkstoff kaum bis gar nicht, weil

a) Man nur wenig danach suchte und bekanntlich kann man nur messen, wonach man sucht und

b) diese älteren Wirkstoffe von Profis nicht mehr verwendet werden, denn die Ratten sind dagegen resistent, nicht aber die Nichtzieltiere (s.o.).

Es ist einfach rätselhaft, wie man so sichere Wirkstoffe wie die Antikoagulanzien der 2. Generation so systematisch in Misskredit bringt.

Alles erinnert in fataler Weise an die frühen 90er: Da wurden die Pyrethroide, die sichersten Insektizide überhaupt, in Misskredit gebracht, um sie 25 Jahre später komplett zu rehabilitieren und fast als einzige Wirkstoffgruppe noch zuzulassen.

TRNS e.V.