Stellungnahme zum Interview mit Davul Ljuhar im DpS 04/2020 zur Anwendung des
Braincon Technologies Systems „DXCpro“ gegen Bettwanzen.
Warum lässt die Redaktion des DPS das Interview mit Herrn Davul Ljuhar von Braincon
gänzlich unkommentiert? Eine Prüfung durch den Redaktionsbeirat wäre wünschenswert
gewesen. Nach Meinung des TRNS wirft das Interview einige gravierende Fragen auf.
Ein Beispiel (Zitat): „Unsere Methode wurde so modifiziert, dass wir durch Veränderung der
Pyrethrum-Moleküle die Bettwanze täuschen. Sie erkennt diese Moleküle nicht, nimmt sie
auf und wird vergiftet.“
Als ob die Bettwanze eine Wahl hätte, was sie aufnimmt und was nicht. Die Beschreibungen
und Statements im Interview wirken populärwissenschaftlich, die dazu passende Quelle fehlt.
Wäre es tatsächlich so, dass bei dem vorgestellten Produkt DCXF-AP das Pyrethrum durch
Wasserstoffperoxid so gravierend verändert würde, wäre es eine „in situ“ – Schaffung eines
neuen Biozides. Damit wäre das vereinfachte Notifizierungsverfahren nicht anwendbar
(siehe Biozid-Meldeverordnung der BAuA).
Ein weiteres Beispiel (Zitat): „Moleküle, die in das Bettwanzenei eingedrungen sind, haben
ein Alarmsignal für die noch nicht entwickelten Nymphen und diese haben auch den Effekt
gehabt aus dem Ei rauszukommen. Sie haben das Operculum gesprengt und sind
rausgeklettert und das wenige Stunden nach der Geburt, nicht erst nach 20 Tagen.“
Wer in einer Schädlingsbekämpferprüfung angibt, dass Bettwanzen gebären wird erhebliche
Schwierigkeiten haben zu bestehen. Aber abgesehen von diesem Fauxpas, können
Bettwanzennymphen entwicklungsbedingt nicht bereits Stunden nach der Eiablage
schlüpfen.
Die Methodenbeschreibung im Interview wirkt verharmlosend, was per se bei bioziden
Verneblungsaktionen rechtlich nicht statthaft ist. Weiterhin sind darin pauschale
Wirkstoffangaben, denn unerwähnt bleibt leider, dass es sich bei dem eingesetzten Wirkstoff
keineswegs nur um Naturpyrethrum, sondern laut gemeldetem Biozid-Produktdatenblatt
(siehe Braincon Homepage/BAuA-Homepage) um Pyrethrine und Pyrethroide (welche?!)
handelt. Unter den Pyrethroiden sind viele Langzeit-Insektizide, die wesentlich fotostabiler
sind und über längere Zeit im Raum bzw. an den Oberflächen verbleiben.
Die Angabe (Zitat): „Deshalb gibt es keine Rückstände“ ist schlicht falsch.
Es wäre erfreulich, wenn die Kombination aus H₂O₂ , Pyrethrine und Pyrethroide auch gegen
resistente Bettwanzen und deren Eier wirksam ist. Als Nachweis dafür ist auf der Homepage
von Braincon bislang nur ein Versuchsbericht veröffentlicht. Es wurde nur eine resistente
Bettwanzenlinie aus Schweden getestet.
Auch wenn der Mechanismus noch nicht geklärt ist, dürfte das die wenigsten Anwender
stören, solange das System funktioniert und rechtskonform ist.
Für die Praxis wäre es wichtiger zu wissen, wie die Testbehandlungen, die laut Interview in
verschiedensten tatsächlich befallenen Räumen und Häusern stattgefunden haben, im
Einzelnen aussahen. Auf der Homepage von Braincon finden sich einige recht gut
beschriebene Praxistests zur Desinfektion, jedoch keines zur Bettwanzenbekämpfung. In
Tests zur Desinfektion gelangt der Dampf nach einer gewissen Zeit in offene Schubläden,
wirkt aber nicht in der Innentasche eines Kleidungsstücks. Solche Details sind für
Anwendungsmöglichkeiten des Verfahrens sehr wichtig. Im Interview heißt es: Nach 12 h
waren alle Bettwanzen tot. Auch bei bisherigen Behandlungsmethoden können Bettwanzen
zuverlässig abgetötet werden – wenn sie von der entsprechenden Bekämpfungsmaßnahme
erreicht werden!

Das Problem ist nicht, dass Bettwanzen „unsterblich“ sind, sondern dass sie sich einer
Behandlung durch Flucht oder durch tiefliegende Verstecke gut entziehen können. Das
Verhalten der Tiere ist bei jeder Bekämpfung zu berücksichtigen. Mitunter ist es hilfreich, die
Wirkung einer Maßnahme noch während der Behandlung visuell zu überprüfen. Bei welcher
Anwendungskonzentration ist das mit welcher PSA möglich?
Wasserstoffperoxid, aus dem das angegebene DCXF-AP im Wesentlichen besteht, ist eine
ätzende, oberflächenangreifende da stark oxidierende Flüssigkeit mit einer gewissen
Tiefenwirkung . Es wird vorwiegend eingesetzt zur Desinfektion gegen Keime.
Es ist keineswegs so harmlos wie im Interview dargestellt, siehe das Datenblatt von DCXF-
AP unter www.hpct.de.
Dass stark reaktive Substanzen wie H 2 O 2 – ob ihrer kleinen Molekülgröße bei entsprechender
Temperatur – eine hohe Mobilität und auch eine erhebliche Mortalität gegenüber Insekten
besitzen, wird niemand bestreiten wollen.
Aber hilfreich wäre es gewesen, das beschriebene Verfahren mit seinen Vor- und Nachteilen
mit herkömmlichen Verfahren zu vergleichen: Wie groß ist z.B. der Vor-/
Nachbereitungsaufwand? Welche Sicherheitsmaßnahmen sind zu treffen? Welche
Zusatzqualifikation wird für die Anwendung benötig? Ist der Raum während der Behandlung
betretbar? Welche Rückstände verbleiben nach der Behandlung im Raum? Und ganz
wichtig: Welche Kosten entstehen?
Alles Fragen, die in der Praxis für oder gegen eine bestimmte Bekämpfungsmethode von
Bedeutung sind.
So, wie das Interview jetzt unkommentiert erschienen ist, hat man eher den Eindruck, ein
Desinfektionsmittelhersteller entwickelt durch insektizide Zusätze für eines seiner Produkte
einen Zweitmarkt und garniert diesen mit pseudowissenschaftlichen Aussagen. Aussagen,
die irreführend sind, weil sie einerseits Leistungen des Produktes unangemessen
überhöhen, andererseits Begleitumstände verharmlosen und de facto auf einigen
zweifelhaften Behauptungen beruhen.
Der TRNS begrüßt jedoch grundsätzlich jede Innovation auf dem Bekämpfungssektor, die
nachhaltige Wirkung verspricht und rechtskonform ist. Wir stehen daher einer Bekämpfung
von Bettwanzen mit Wasserstoffperoxid nicht negativ gegenüber, aber wir möchten unseren
Beitrag dazu liefern die Dinge bei dem Namen zu benennen, den sie verdienen. Die
Schädlingsbekämpfung ist zu sensibel geworden, um mit Halbwahrheiten oder Camouflage
zu argumentieren.