I  Hintergrund und Rückblick

Der Begriff Dekontamination war in den 90ern des letzten Jahrhunderts zur Hochzeit der Pyrethroid-Diskussion im Kontext von Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen „freihändig“ vom Wasser-, Boden- und Luftinstitut (WaBoLu) ins Spiel gebracht worden, obwohl weder Gebrauchsanweisungen der Biozidprodukte noch die gängige Praxis dies erforderten. Das WaBoLu (ein Mit-Vorläufer des UBA) hatte – wie die BRD-Institutionen insgesamt – versäumt, die Rahmenbedingungen für den Biozideinsatz in Innenräumen zu regulieren, bzw. zumindest Gebrauchsanweisungen mit zu gestalten. Als damals die Wirkstoffgruppe der Pyrethroide von bestimmten Interessengruppen (Gutachter, Umweltlabore, Umweltärzten etc.) öffentlich in den Verruf gebracht wurde, erfand das WaBoLu und das BgVV unter dem Druck der Medien die Dekontamination für Schädlingsbekämpfungsverfahren, die gemäß der guten fachlichen Praxis durchgeführt wurden.

Man tat plötzlich und übergangslos so, als sei die Dekontamination immer schon die Anschlussmaßnahme eines ordnungsgemäßen Insektizideinsatzes gewesen. Das war sie aber nicht, denn sie stand eben nicht auf den damaligen Gebrauchsanweisungen der Biozidprodukte. So wurde sie zum Damoklesschwert aller Schädlingsbekämpfer und zum Booster zahlloser Gerichtsverfahren, weiterhin zur hervorragenden Einnahmequelle einschlägiger Gutachter, besonders solcher, deren Studien durch obengenannte behördliche Institutionen initiiert und finanziert wurden.

Es hat lange gedauert, bis Oberlandesgerichte diesen vorverurteilten Schädlingsbekämpfern beistanden und durch wegweisende Entscheidungen (vergl. „Der praktische Schädlingsbekämpfer“, September 2003, Heft 9, Seite 8-10) der Pyrethroid-Diskussion den Nährboden entzogen, was aber Gutachter bis heute nicht daran hindert, Gerichtsfälle mit einer angeblich notwendigen generellen Dekontaminationsanforderung nach sachgerechten Bekämpfungsmaßnahmen zum Schaden der Anwender heran zu ziehen , obwohl es bis heute nach aktuellem Stand (Biozid-VO) keine zugelassenen Biozidprodukte gegen Gliedertierschädlinge gibt, die mit toxikologisch begründeten Grenzwerten Dekontaminationsziele beschreiben.

Die zusammenfassende Interpretation der Urteile und ein weiteres zu diesem Thema findet sich in der oben angegebenen Ausgabe der Fachzeitschrift „Der praktische Schädlingsbekämpfer“. Durch die DIN 10523, die TRNS I und II (Technische Regeln und Normen der Schädlingsbekämpfung) wurde die Definition der Dekontamination klar gefasst und aufgrund der ursprünglichen Wortbedeutung auf Unfallszenarien fokussiert (Zitat aus der TRNS II):

„Unter Dekontamination versteht man die möglichst weitgehende Reduzierung falsch applizierter oder entgegen der Gebrauchsanweisung oder unbeabsichtigt freigesetzter Wirkstoffmengen.“

Mit dieser Definition wird Dekontamination gegen Reinigungsmaßnahme abgegrenzt und im Regelfall als nicht notwendig – sogar erfolgsvermindernd – beurteilt, da im Regelfall von einer ordnungsgemäßen, gebrauchsanweisungsgerechten Maßnahme ausgegangen werden muss. Die gebrauchsanweisungsbasierten Insektizid-Dosierungen wurden so ausgerichtet, dass sie gegen Schädlinge wirksam sind aber für Mensch, Natur und Tier kein unakzeptables Risiko darstellen, sonst wären derartige Produkte nicht verkehrsfähig.

Erst die Pyrethroidstudie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung/Industrie Verband Agrar von 2001 hat den wissenschaftlichen Background geliefert die Pyrethroiddiskussion zu beenden. Bezeichnenderweise sind die meisten aller neuen Zulassungsanträge für insektizide Biozide aus der Wirkstoffgruppe der Pyrethroide, obwohl Pyrethroide in der Regel eine längere Verweildauer in absorptionsfähigen Materialien haben aber ihr toxikologisches Profil einfach günstig ist.

II Begriffsdefinitionen

Um die Dekontamination einordnen und von nachträglichen Reinigungsmaßnahmen abgrenzen zu können, müssen Begriffe im Folgenden definiert und erläutert werden.

II.1 Abgrenzung Dekontamination/Neutralisation/Mittelreduktion/Reinigung/Lüftung

Wie bereits oben erwähnt, ist der Begriff der „Dekontamination“ für sachgerecht eingesetzte Wirkstoffe im Rahmen einer Schädlingsbekämpfung ein in sich falscher Begriff. Dekontamination wird wortbedeutungsgemäß verwendet als mengenmäßige Reduktion von Schadstoffen nach Unfällen (z. B. Fallout radioaktiver Partikel) oder Kriegshandlungen mit ABC- Waffen.

Genau so wenig wie man die Gabe von Arzneien (=Wirkstoffen) zur Abhilfe eines unerwünschten Zustandes mit anschließenden körperlichen Dekontaminationsanforderungen belegen sollte, kann man gewünschte Wirkstoffeinsätze zur Schädlingsbekämpfung per se mit einer Beseitigungsforderung belegen. Ein Ziel einer Schädlingsbekämpfungsmaßnahme ist oft, dass Wirkstoffe längere Zeit am Ausbringungsort verbleiben, um später ausschlüpfende Stadien mit zu erfassen. Hinzu kommt, dass sie sogar in der ausgebrachten Menge unter Berücksichtigung anerkannter Verfahren im Regelfall keine toxikologische Auswirkung auf Nichtzieltierorganismen haben. Mit einer pauschalen Dekontaminationsforderung wäre man nicht nur begrifflich sondern auch faktisch in einem Umfeld vorauseilender Anpassungen an verbreitete aber leider oft unwissenschaftliche und diffuse Chemikalienängste positioniert.

Der Begriff der „Neutralisation“ist wesentlich geeigneter ein Verfahren zu beschreiben, das darauf abzielt, nach Eintritt der gewünschten Wirkung diese zu minimieren. Vorweg gesagt beinhaltet auch dieser Begriff insofern eine in sich innewohnende Unschärfe als jeder ausgebildete Chemiker/Biologe damit eine Stoffumwandlung assoziiert – z. B. die Umwandlung von Formaldehyd mittels Ammoniak. Der Normalbürger versteht darunter aber die Aufhebung der ursprünglich beabsichtigten Wirkung, also die nicht länger andauernde Wirksamkeit eines eingesetzten Biozids – und genau darauf kommt es an. Mit der Begrifflichkeit der Neutralisation könnte man die Wirkungsbeendigung eines gewünschten Wirkstoffes begrifflich wesentlich wertungsfreier beschreiben. Auf jeden Fall sollte diese Tätigkeit denjenigen zur Beurteilung vorbehalten bleiben, die um die verwendeten Wirkstoffe und Verfahren wissen, also eine Tätigkeit durchgeführt oder initiiert haben, nämlich dem Schädlingsbekämpfer.

Die Wirkungsbeendigung, die dem Begriff „Neutralisation“ innewohnt, sollte man zur Versachlichung der Diskussion/Zulassung herausstellen. Diesen Gedankenzug weiterverfolgt, ergeben sich mehrere Methoden das Vorhaben der Neutralisation umzusetzen, z. B. Reinigung, Mittelreduktion, Lüftung oder selbstzerfallende Wirkstoffe.

Der Begriff der „Reinigung“ ist dabei der größere Begriff, er umfasst quasi die Mittelreduktion, denn jedes Saugen, Abwischen, Putzen, Lüften reduziert die vorhandenen Wirkstoffmengen.

Jede Reinigung entfernt auch Vektoren mit Wirkstoffanhaftung, z. B. Staub. Eine Reinigung muss nicht von Spezialisten vorgenommen werden, es sei denn, es handelt sich um besonders problematische Wirkstoffe oder solche, die durch spezielle Methoden/Verfahren inaktiviert werden könnten. Die Reinigung sollte allerdings immer durch den Schädlingsbekämpfer im Beratungsgespräch empfohlen werden.

Der Begriff der „Mittelreduktion“ ist eine durch Schädlingsbekämpfer vorzunehmende Sonderform der Reinigung. Hier handelt es sich um Wirkstoffe, deren Wirksamkeitsdauer zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiv beendet werden sollen – sei es durch physikalische (z. B. Starklichteinsatz), chemische (z. B. katalysatorbedingte Umsetzungen) oder mechanische (z. B. Köderentfernungen bzw. spezielle Behandlung der Mittelanwendungsorte). Derartige Maßnahmen sind in den Auftragsbedingungen zu erfassen, somit gesondert zu bezahlende Maßnahmen durchgeführt vom Schädlingsbekämpfer.

Der Begriff der „Lüftung“ist für Vernebelungs- oder Sprühmittel vorgesehen bzw. auch z. B. für Spritzmittel auf Basis von organischen Lösemitteln. Hier handelt es sich um eine Maßnahme, die durch Schädlingsbekämpfer initiiert, aber durch dessen Kunden organisiert und durchgeführt wird.

Der Begriff des „Zerfallens“ beschreibt die Eigenschaften einiger Wirkstoffe ihre Molekülstruktur durch z. B. physikalische Umwelt- oder Inwelteinflüsse so zu verändern, dass der Wirkstoff – z.  B. Pyrethrum – nicht mehr wirksam ist. Das muss nicht bedeuten, dass damit auch beispielsweise ihr allergenes Potential gleichzeitig verschwindet. Die heute vorhandenen Wirkstoffe (Bioallethrin, Bioresmethrin, Pyrethrum) sind in der Regel gegen die häufigsten Gesundheitsschädlinge/Materialschädlinge wenig bis unwirksam.

Die Neutralisation – soweit gefordert – stellt eine zusätzliche Dienstleistung dar, die natürlich monetär zu honorieren ist.

Spezielle Mittelreduktionen sind naturgemäß aufwendiger als die Ausbringung des Wirkstoffes selbst. Sind zudem absorbierende Behandlungsoberflächen vorhanden – eigentlich die Regel in Wohnungen, Hotel- und Gastronomiebetrieben-, kann von teils mehrfacher Arbeitszeit für diese Tätigkeit ausgegangen werden. Selbst in Lebensmittelbetrieben – gekennzeichnet durch nicht-sorptive Flächen – muss von doppelter Arbeitszeit ausgegangen werden.

Schlussfolgerung aus II.1

Die Begrifflichkeit der Dekontamination sollte durch die Begrifflichkeit Neutralisation ersetzt werden. Verfahren der Neutralisation können beispielsweise Reinigen, Mittelreduktionen, Lüften oder der Einsatz selbstzerfallender Wirkstoffe sein.

Neutralisationen erhöhen die Kosten einer Schädlingsbekämpfung erheblich, sei es durch Kräfte des Kunden oder den Schädlingsbekämpfer selbst.

II.2 Neutralisationsvermeidung durch gezielte Bekämpfung

Handelt es sich nicht um Seuchenbekämpfungen sondern um normale Schädlingsbekämpfung, ist gemäß TRNS der minimalinvasive Ansatz der Regelansatz professioneller Schädlingsbekämpfung. Das erfordert ein Vorgehen in folgender Reihenfolge:

  1. Wo immer möglich die Wahl eines Köderverfahrens, aber nur falls in wirtschaftlicher oder gesundheitlicher Hinsicht zeitlich erfolgsversprechend und vertretbar; Köderverfahren können in manchen Befallslagen auch durch Falleneinsatz ersetzt werden.
  2. Vernebelung, ULV- oder Sprühapplikationen nur bei Befall durch flugfähige Schädlinge.
  3. Spritzmitteleinsatz gegen kriechende Schädlinge in Brutstätten, Verstecken, auf Laufwegen (Spotverfahren) oder als Barriere (Barriereverfahren).
  4.  Spritzmittel als Flächenbekämpfung (Ausnahme).

Gelköder oder pyrethroide Spritzmittel mit minimalen Wirkstoffmengen, die im Spotverfahren eingesetzt werden (z. B. hinter Fußleisten) müssten in der Regel nicht neutralisiert werden, schließlich werden mottengeschützte Teppiche auch nicht neutralisiert.

Schlussfolgerung aus II.2:

Eine Neutralisation kann systembedingt nur auf Oberflächen im Rahmen von Flächenbekämpfungen ausgerichtet sein. Spotverfahren in Hohlräumen, Ritzen und Fugen, Laufwegen müssen davon ausgenommen sein.

III Messmethoden und Zielwerte

III.1 Zielwerte/Grenzwerte/Applikationsraten

Wie bereits oben erwähnt, sind die Applikationsraten (=Anwendungsmengen pro Flächeneinheit) der bei Innenraumspritzmittel im Spot- oder Barriereverfahren eingesetzten Insektizide so wirkstoffminimiert, dass sie einerseits noch gegen den Zielorganismus wirksam, aber andererseits toxikologisch akzeptabel für Mensch und Haustier sind. Würde man derartige, sachgerechte nach Gebrauchsanweisung ausgebrachte Applikationen direkt nach der Ausbringung mit der Hausstaubmethode wieder aufnehmen, ergäben sich bei Pyrethroiden mg/kg Hausstaubwerte im fünfstelligen Bereich. Eine Reihe Gutachter versuchen jedoch bereits Hausstaubwerte im zweistelligen Bereich als „enorm belastendes Szenario“ darzustellen, obwohl die Pyrethroidstudie keinerlei Zusammenhang zwischen der Höhe von derartigen Werten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen feststellen konnte. Würde man den Ansichten und Erfassungsmethoden der selbsternannten „Fach“-Gutachter folgen, wäre keine Schädlingsbekämpfung mit Spritzmitteln in Innenräumen mehr möglich, da sowohl die Ausgangsapplikationsmenge als auch die hochgerechneten Rückstände die selbstkonstruierten Richtwerte dieser Gutachterszene überschreiten. Bis heute fehlen staatliche offizielle Grenzwerte, die eine unerlässliche Voraussetzung für Rechtssicherheit sind.

Schlussfolgerung aus III. 1

Sollte bei der Insektizidzulassung eine nachträgliche Dekontamination als RMM gefordert werden, so muss diese entweder mit einer Grenzwertschwelle (z. B. notwendig ab einer Applikationsrate von so und so viel pro m2 Gesamtfläche – wohlgemerkt nicht Behandlungsfläche) oder einem Zielwert (z. B. 50 % ige Mittelreduktion pro m2 nach dem gewünschten Wirkzeitraum) versehen werden.

Ohne solche Konkretisierungen wäre jede Neutralisationsforderung nicht umsetzbar und würde vielfache Gerichtsverfahren produzieren.

III.2 Art der Messmethoden (Haustaubmethode versus Luftprobe)

Wie bereits oben erwähnt, hat sich in der einschlägigen Gutachterszene die sogenannte Hausstaubmethode leider als besonders persistent herausgestellt. Die Methode besteht darin, Hausstäube – in der Regel ungezielt – aus Wohnungen einzusaugen oder eingesaugte zu verwenden. Diese werden dann auf die < 63 µ – Fraktion reduziert und diese Fraktion dann qualitativ auf gängige Insektizide untersucht. Anschließend wird das jeweilige Resultat auf ein Kilo Hausstaub (HS) hochgerechnet und in der Regel in mg/kg Hausstaub ausgewiesen. Sollte jedoch das Resultat „Keine Stelle vor dem Komma“ ergeben, wird die mathematische Dimension solange verkleinert (in Richtung Mikro- oder Nanogramm), bis „vor dem Komma eine Zahl steht“. Diese Methode hat derartig gravierende Schwächen, dass sie als Maßstab toxikologischer Bewertungen sowohl von Gerichten als auch von Behörden (damals das BgVV) als unwissenschaftlich und damit ungeeignet deklariert wurde. Trotzdem ist sie extrem verbreitet und unglückselige Folge der Dekontaminationsdiskussion.

Die Kritik an der Methode als zusammenfassende Aufzählung:

  • Nichtreproduzierbarkeit der Ergebnisse
  • kein Zusammenhang mit der Luftbelastung
  • Nichtwiedergabe der Bekämpfungssituation
  • unrealistische Bezugsgröße (Kilogramm Hausstaub)
  • keine Dosiserfassung
  • willkürliche, selbstgewählte Bezugsgrößen
  • inkonsistente und nicht reproduzierbare Vergleiche mit unbelasteten Wohnungen
  • ignorieren der Ergebnisse der Pyrethroidstudie

Voraussetzung einer toxikologischen Belastung ist grundsätzlich, dass ein sogenannter Biopfad existiert, also die Möglichkeit toxikologisch relevante Mengen (vergl. LD 50 – Werte), entweder oral, oder dermal oder inhalativ aufzunehmen.

Diese drei möglichen Aufnahmewege müssen einzeln analysiert und bewertet werden, da die jeweiligen Wirkstoffe für orale, dermale oder inhalative Aufnahmen unterschiedliche LD-50 Werte besitzen.

Eine Luftprobe ist daher in jedem Fall unumgänglich.

Bei Pyrethroiden (vergl. Pyrethroidstudie von 2001), die bekanntermaßen ob ihrer Molekülgrößen und -strukturen nicht in die Luft wandern, damit keinen inhalativen Biopfad haben, die außerdem nicht durch die Haut wandern, damit keinen dermalen Biopfad haben und bei einer Spotbehandlung gegen versteckt lebende Schädlinge auch nicht oral aufgenommen werden, damit keinen oralen Biopfad haben, ist nahezu jeder per Hausstaubmethode gemessene Wert toxikologisch irrelevant.

Messergebnisse aus gezielt eingesetzten Schädlingsbekämpfungsmitteln müssen immer auf die insgesamt zu schützende Fläche umgerechnet werden. Jede andere Berechnungsform, z. B. mg/kg gesaugter Hausstaub aus Ritzen und Fugen führt systembedingt zu irregulären und nicht reproduzierbaren Messergebnissen.

Schlussfolgerung aus III.2

Die Hausstaubmethode ist unbrauchbar, Luftproben unumgänglich. Es besteht außerdem beim Einsatz pyrethroider Wirkstoffe bei sachgerechten Anwendungen aus toxikologischer Sicht keine Notwendigkeit zur Neutralisation, da in der Regel kein Biopfad existiert.

IV Produktzulassungen

Sollten umfangreiche Dekontaminations-/Neutralisationsanforderungen Bestandteil einer Insektizidzulassung werden – quasi als RMMs – ohne Festlegung einer verifizierbaren und reproduzierbaren Nachweismethode, kommt das einer Anwendungsverhinderung für Pyrethroide gleich. Selbige sind im Gegensatz zu Organophosphaten sehr alkalistabil, entziehen sich also gängigen Reinigungsmethoden, zumindest was stoffliche Umwandlung anbelangt. Damit wäre die umwelt- und wirbeltierverträglichste Wirkstoffgruppe für den Gesundheits- und Vorratsschutz mehr oder weniger nicht einsetzbar, denn wie soll der Einsetzende sein Risiko begrenzen?

Die einzelne Produkt-Zulassung muss also in den zu erwartenden Begleit-RMM sowohl die Nachweismethode als auch die toxikologischen Bedenklichkeitsgrenzwerte mitliefern oder auf Neutralisationsanforderungen, die über normales Reinigen und Lüften hinausgehen, verzichten. Sie darf auf keinen Fall die Hausstaubmethode als geeigneten Nachweis empfehlen.

V Auswirkungen auf dem Markt

Wie schon beim Auftauchen der Pyrethroiddiskussion in Deutschland wird der Schädlingsbekämpfer vermutlich immer die Biozidprodukte auswählen, die ihm den „wenigsten Ärger“ machen bzw. die größtmögliche Rechtssicherheit liefern. So geschehen durch den damaligen Austausch von Pyrethroiden gegen Organophosphate. D. h. er würde nicht die für Mensch und Tier sichersten und gleichzeitig erfolgversprechendsten Mittel wählen (Pyrethroide), sondern die, die keine oder simple Neutralisationsanforderungen aufweisen werden (Pyrethrum) bzw. solche, die sich leichter neutralisieren lassen (Organophosphate). Pyrethrum ist kaum wirksam, oft Bestandteil reiner Alibibekämpfungen, zudem mit allergenem Potential ausgestattet, sowie aufgrund des intensiven parfümölbasierten Geruchs ständig Anlass für angebliche Vergiftungsmeldungen. Organophosphate sind ob ihrer Hautgängigkeit und wesentlich niedrigeren LD-50 Werte risikobehafteter für Nutzer und Anwender.

Mit der Wahl des Bekämpfungsmittels ist natürlich die dazugehörende oft produktspezifische Bekämpfungsmethode verbunden. Eine Präferenz für Köderformulierungen wäre – soweit situationsabhängig bzw. schädlingsspezifisch erfolgversprechend – nicht problematisch, ein Ausschluss von Spritz-, Sprüh- oder Vernebelungsmitteln jedoch kontraproduktiv, was Tilgungserfolge anbelangt.

Überzogene, falsche oder nicht verifizierbare Dekontaminations- bzw. Neutralisationsanforderungen würden von den Herstellern – wie schon bei den Rodentizid-RMM beobachtbar – wahrscheinlich bereitwillig in die Gebrauchsanweisungen geschrieben. Damit würden sie nicht für sie selbst, sondern zum Problem der Anwender werden. Der private Anwender wird sich kaum damit auseinandersetzen, denn er bestellt keinen Gutachter für seine eigenen Maßnahmen. Damit liefen sicherlich 90 %, also der Anteil privat eingesetzter G+V-Insektizide versus gewerblich eingesetzter Insektizide, aller diesbezüglichen RMM sowieso ins Leere.

Dem gewerblichen Anwender verbleibt wie bei Odysseus die Wahl zwischen Skylla und Charybdis. Misserfolg gegen Gutachterrisiko. Sie hätten keine Rechtssicherheit.

VI Auswirkungen vor Gericht

Die unselige, von einschlägigen Behörden mitverursachte Pyrethroiddiskussion der 90er hat bundesweit unzählige Gerichtsverfahren hervorgerufen, die teils mit sechsstelligen Schadenssummen beschieden oder verglichen wurden. Es gab keine „Vergifteten“ aber die „Sich vergiftet Fühlenden“. Denen gelang es mit „Hausstaub-Gutachtern“, „klientelbedienenden Umweltärzten“ und dazugehörenden Rechtsanwälten sich entweder selbst finanziell zu ruinieren oder Summen zu erstreiten, die jeder Grundlage entbehrten, weil die zuständigen Behörden es in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern bis vor ein paar Jahren nicht schafften, Biozide ordnungsgemäß zuzulassen.

Überzogene, falsche oder nicht verifizierbare Dekontaminations- bzw. Neutralisationsanforderungen in den Zulassungen werden zur Wiederholung dieser Situation führen.

Jüngste derartig gelagerte Fälle in München, Berlin und Münster belegen bereits den Trend.