Seit Jahren ist eine Zunahme der Aktivität von Auditoren und Sachverständigen auch in der Schädlingsbekämpfungsbranche zu beobachten. Dabei konzentriert sich die Tätigkeit dieser neuen „Branchensatelliten“ in der Regel auf die Lebensmittelindustrie. Sie stellen quasi „eine vierte Kraft“ im Zusammenspiel zwischen der klassischen Konstellation Schädlingsbekämpfungsfirma, Auftraggeber Lebensmittelbetrieb oder –kette und der amtlichen Lebensmittelhygieneüberwachung dar. Dreibeinige Tische wackeln nie, vierbeinige recht häufig. Und so ist diese neuere Konstellation auch in unserer Branche oft nicht unproblematisch.

Wo kommen sie her?

Auditoren sind das Produkt der Zertifizierungswelle in der Lebensmittelbranche, die etwa in den 80er Jahren massiv einsetzte. Unabhängig durch Dritte kontrollierte und zertifizierte Qualitätsstandards wie IFS, BRC oder AIB sind heute in der Lebensmittelindustrie etabliert.

Auditoren sind darin geschult das Einhalten des jeweiligen Standards zu prüfen. Auditoren im engeren Sinne werden von akkredetierten Zertifizierungsfirmen beschäftigt. Der Auditor oder das Auditorenteam prüft in einem Lebensmittelbetrieb beileibe nicht nur die Schädlingsbekämpfung. Diese spielt im Gesamtfeld der Lebensmittelhygiene nicht die größte Rolle. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Auditoren in der Lebensmittelindustrie in den seltensten Fällen selbst praktische Erfahrungen in der Schädlingsbekämpfung mitbringen.

Sachverständige – seien sie als Gutachter oder Berater (Consultants) tätig – decken in der Regel ein spezielleres Tätigkeitsfeld ab, oft nicht einmal die gesamten drei Sparten der Schädlingsbekämpfung. Der Begriff als solcher ist nicht geschützt, d.h. es gibt keine Prüfung zum Sachverständigen z.B. im Gesundheits- und Vorratsschutz. Die einzige „offizielle Anerkennung“ liegt vor, wenn es sich um einen „Öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen“ handelt. Freie Sachverständige sind auf die Vermarktung ihres Fachwissens angewiesen und müssen sich lediglich davor hüten, Qualifikationsbehauptungen aufzustellen, die sie im Fall einer Klage wegen unlauteren Wettbewerbs nicht entsprechend glaubhaft belegen können.

Praxisferne bis fragwürdige Forderungen

Leider führt nun die oben beschriebene Bandbreite von „genereller bis spezieller“ Sachkunde, sowie das Fehlen eines einheitlichen Anforderungsprofils an das Fachwissen aller (auch besagter neuer) Mitspieler in der Arena Schädlingsbekämpfung, zu erheblichen Problemen und Missverständnissen vor Ort. Eine Umfrage unter Fachkollegen ergab eine Vielfalt von Forderungen durch Auditoren oder Sachverständige im Bereich der Schädlingsbekämpfung, welche zum Teil sehr praxisfern, mitunter sogar aus Standards oder Vorschriften kaum begründbar erscheinen. In der folgenden Tabelle sind einige Beispiele dargestellt und kommentiert.

 

Nr. Forderung/ Aussage des Auditors/Sachverständigen Angebl. Gefordert durch Kommentare
Thema: Sachkunde/ Fortbildung etc. belegen
1 Qualifikation des durchführenden Schädlingsbekämpfungstechnikers belegen lassen IFS, BRC, AIB Nur von AIB gefordert
2 Sachkunde zum Töten von Wirbeltieren gemäß § 4 des Tierschutzgesetzes des durchführenden Schädlingsbekämpfungstechnikers belegen verschiedene Über sachkundiges Personal zu verfügen ist bereits Voraussetzung für die behördliche Erlaubnis als qualifizierter externen Dienstleister tätig werden zu dürfen.
3 Sachkundelehrgänge aus Berufsqualifikationen nicht anerkannt und bestimmte gefordert Amtsveterinäre Fragwürdige Beschaffungsmaßnahme
4 Fortbildung im Tierschutz belegen IFS, extern. Consult. Gesetzlich nicht gefordert
5 Forderung nach jährlicher Weiterbildung der Techniker (am besten durch unabhängige Institute) extern. Consult. GefVO fordert regelmäßige Fortbildung ohne Zeitbezug. Unzulässige Wertung der Kursqualitäten
6 Unterweisungen für Tritte und Leitern gefordert extern. Consult. Aufgabe des Sicherheitsingenieurs.
7 Dokument hinterlegen, dass Anzeige des Betriebes nach GefStoffV belegt. IFS, extern. Consult. Es gibt keine Bestätigung für die ANZEIGE von der Behörde.
Thema: Fallen/Monitore platzieren
8 UV Lockfallen Platzierung 

– bestimmte Aufstellungshöhen

GMP (intern)
– bestimmte Austellungsorte– bestimmte Ausschlussorte

 

IFS, GMP (intern), extern. Consult. Stark Betriebsabhängig, größtenteils nicht zu generalisieren, daher dem Sachverstand des Schädlingsbekämpfers zu überlassen
9 Schadnagerköderstationen 

– Aufstellorte

– Materialien

– Anzahl

IFS, BRC, AIB Bei IFS und BRC nicht spezifiziert, bei AIB detaillierte Vorgaben
IFS, AIB Zuviel des guten. 
14 Detektoranzahl pro qm angleichen, damit der Vergleich zu anderen Werken des Konzern stimmt extern. Consult. Keine fachliche Grundlage, Detektorsysteme stark betriebs- und befallsabhängig
Thema: Sicherheitsdatenblätter etc.
15 Datenblätter mit Datum nicht älter als max. 2 Jahre IFS Nach REACH brauchen die SDB nur geändert werden, wenn sich die Zusammensetzung des Produktes ändert oder die Gesetze es erfordern
16 Datenblätter für Mäuse- bzw. Rattenköderboxen, Motten – Pheromonfallen, UV – Geräte gefordert extern. Consult. Nicht von Standards gefordert übertriebene Einzelforderung
17 Nicht nur Sicherheitsdatenblätter, sondern auch Gebrauchsanweisungen und Produktinformationen der eingesetzten Präparate per download dem Kunden z. Vfg. stellen extern. Consult. Nicht von Standards gefordert, übertriebene Einzelforderung
Verschiedene Themen 
18 UV Lockfallen Fliegenauswertung mit Schwellenwertfestlegung extern. Consult. Wer legt den Schwellenwert fest?
19 Methodik des Pharaoameisen-Monitorings IFS, extern. Consult. Prophylaktische Bekämpfung
20 extern. Consult Durchgedrehte Leber?
21 Dokumentation der Reinigung von Detektionssystemen IFS, extern. Consult. Wird bei der Wartungsdokumentation miterfasst. bei AIB detailierte Vorgaben
22 Empfehlung den Servicemitarbeiter regelmäßig (jeden 2.-3- Termin) zu wechseln IFS, extern. Consult. Unsinnige Forderung
23 Resistenzuntersuchungen (z.B. Bromadiolon) an gefangenen oder toten Schadnagern bzw. deren Exkrementen (regelmäßig) von unabhängigen Stellen vornehmen lassen IFS, extern. Consult. Nicht Aufgabe des SB.
24 Methodik der Frucht- und Stubenfliegenbekämpfung mit Gelbtafeln empfohlen IFS, extern. Consult. Ungeeignete Methodik in Lebensmittelbetrieben.

 

Diskussion einzelner Gruppenthemen aus der Tabelle

Verlangt ein vom Betrieb hinzugezogener Consultant oder Auditor von einer dienstleistenden Fachfirma für Schädlingsbekämpfung (SB) Sachkundenachweise, so wird hier „doppelt gemoppelt“, was nach gängiger Volksweisheit zwar „besser hält“ aber im Grunde genommen ein Anzweifeln der Behördenkompetenz durch den Handelnden darstellt. Fachfirmen müssen bekanntlich nach Gefahrstoffverordnung ihre Sachkunde der zuständigen Behörde bei Aufnahme oder Wiederaufnahme des Betriebs nach mehr als einjähriger Unterbrechung nachweisen. Außerdem erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass solche Dokumente nicht bereits bei der Vertragsvergabe geprüft wurden. Derartige Forderungen sind nur dadurch zu erklären, dass der Consultant oder Auditor sich im Formalen „festkrallt“, weil er in der fachlichen Durchführung der Arbeiten entweder keine Mängel gefunden hat oder aber sich auf diesem Gebiet nicht sattelfest fühlt.

Beim Platzieren von Köderboxen oder UV Fliegenfallen zeigt sich die ganze Bandbreite der fachlichen Kompetenz oder Inkompetenz von Consultants oder Auditoren. Fakt ist, dass es keine verbindlichen Regeln oder Normen für die genauen Platzierungsorte, die Anzahl oder Dichte von derartigen Bekämpfungs- oder Überwachungshilfsmitteln gibt (ausser AIB. Der etwas spezifischere Vorgaben enthält). Es gibt lediglich Empfehlungen in technischen Merkblättern der Hersteller und einigen behördlichen Auslassungen, die jedoch allesamt letztendlich die Entscheidungsfindung der Fachkraft vor Ort überlassen. Aus dieser Situation ergibt sich eine gewaltige Interpretationsbreite, Konflikte sind hier vorprogrammiert. Es ist sehr menschlich, dass bewertende Individuen selten von ihrem Standpunkt Abstand nehmen und sich von einem „Rangniederen“ überzeugen lassen, dass dieser die bessere Lösung fand.

Sicherheitsdatenblätter (SDB), Produktinformationen, ja sogar detaillierten Angaben zu Formulierungszusammensetzungen werden traditionell gerne unter die Lupe genommen. Zumeist entbehren diese Forderungen jeglicher gesetzlicher Basis. Zudem ist es für Laien und Nichtchemiker wenig hilfreich mit SDB überschüttet zu werden. In der Regel werden diese Papiere nach Eingang eh nur im Ordner abgeheftet oder in einer Datei abgespeichert. Abgehakt, mehr nicht. REACH fordert vom Hersteller eine Überarbeitung des SDB, wenn sich die Produktzusammensetzung ändert. Der SB kann also u.U. gar nicht ein alle zwei Jahre auf den neusten Stand gebrachtes SDB liefern.

Die Sammlung „Verschiedene Themen“ offenbart oft willkürliche Betrachtungen und fehlenden Überblick mancher Consultants bzw. Auditoren. – Schwellenwertfestlegung beim Fluginsektenmonitoring? Wer legt nach welchen Kriterien fest? Wie viel Aufwand soll seitens des Auftraggebers getrieben werden? Wie viel Anteil hat der SB am Erreichen des Erfolgs und wie abhängig ist er von der baulichen Unterstützung durch seinen Auftraggeber? Fluginsektenbekämpfung ist nun mal keine Ein-Mann-SB-Show. – Pharaoameisen- Monitoring? Bewertungen der Methodik sind auf diesem Gebiet nicht durch Standards abgesichert, richten sich nach den betrieblichen Anforderungen und sollten der geschulten Fachkraft überlassen werden. – Empfehlung, den Servicemitarbeiter bei jedem 2. bis 3. Termin zu wechseln? Diese Idee muss aus der Branche Sicherheitsdienste stammen. So verständlich es ist, das „Einlullen durch Routine“ verhindern zu wollen, so sonnenklar ist auch, dass dies von kleinen und mittleren SB-Firmen nicht geleistet werden kann. Und was meint der Auftraggeber dazu, dass er laufend neue SB in seinem Betrieb herumlaufen sieht, die offensichtlich mehr damit beschäftigt sind, sich im unbekannten Betrieb zu orientieren, als damit, gezielt an ihnen bekannten kritischen Punkten der Anlage nach Schädlingen zu suchen? Insgesamt also eine unsinnige Forderung. – Resistenztest an Schadnagern? An sich eine gute Idee, wenn man in der Forschung arbeitet. Noch besser ist es natürlich für den Forscher, wenn er sich ehrenamtlicher Unterstützung durch kooperationswillige SB bedienen kann, dann muss er keine eigenen Mittel beantragen. Freiwillige Kooperationen dieser Art kann ein Auditor oder Consultant aber nicht zum Standard erheben. Tut er dies, so fehlt ihm jedes Augenmaß für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter denen SB Betriebe und ihre Auftraggeber arbeiten.

 

Schlussfolgerungen und Handlungsbedarf

Offenbar gehen Augenmaß und Praxisnähe in Fällen wie den oben in der Tabelle dargestellten gelegentlich verloren. Ein Consultant wird hinzugezogen um Missstände zu korrigieren, ein Auditor um Standardkonformität im Sinne eines Soll – Ist-Vergleichs zu prüfen und attestieren. Im Gegensatz zum Auditor sollte der Consultant jedoch über einschlägige Berufspraxis verfügen. Oder könnte sich jemand einen Juror beim Eiskunstlauf vorstellen. Der selbst nicht früher Eiskunstläufer war? Beide, Auditor wie Consultant, sind nicht dazu angehalten gesetzliche Grundlagen frei zu interpretieren oder durch von ihnen selbst favorisierte Praktiken zu bereichern. Stattdessen sollten sie bei Abweichen des SB von den eigenen Vorstellungen vor allem zunächst erfragen und zuhören warum so gehandelt wurde. In der Regel hat dies sehr praktische und nachvollziehbare Gründe.

SB sollten aber ihrerseits auch das Dilemma verstehen, in dem der Consultant oder Auditor oft steckt: er/sie muss einen Bericht schreiben, der seiner Korrektur- bzw. Prüfungsfunktion gerecht wird. Da kann ganz gewiss beim ersten Mal nicht drin stehen „Alles o.k., keine Einwände“. Warum also nicht einen Ordner zusammenstellen, in dem alle gewünschten Sachkunde- und Fortbildungsnachweise zu finden sind, und dann vor Ort ein bisschen weniger über die Platzierung von Köderstationen streiten? Und letztendlich gibt es bei scheinbar unlösbaren Problemen immer noch ein bewährtes „Entstreitungsgremium“ – den TRNS.

Wer-kontrolliert-die-Kontrolleure